Durch die Ernennung von Vorerben und Nacherben im Testament kann ein Erblasser seinen Nachlass über Generationen hinweg bestimmen. Dabei sind Vorerbe und Nacherbe auch mit Nachteilen verbunden. Welche dies sind und wie sich die Nachteile in der Vor- und Nacherbschaft reduzieren lassen, beschreibt dieser Beitrag.
Was ist Vor- und Nacherbschaft?
Vorerbschaft und Nacherbschaft bezeichnet eine Erbschaft des gleichen Erblassers. Die Erbschaft geschieht allerdings nacheinander. Zuerst geht der Nachlass an den Vorerben. Nach dessen Tod – oder wenn andere Bedingungen greifen – geht der Nachlass an den Nacherben. Der Nacherbe gilt zugleich als Schlusserbe.
Typische Konstellationen: Ehegattentestamente und Patchwork-Familien
Häufig nutzen Ehepaare ein Berliner Testament, indem sie den Ehepartner als Vorerben und die Kinder als Nacherben einsetzen. Damit wird zum Beispiel sichergestellt, dass der überlebende Ehepartner im Haus wohnen bleiben kann. Bei einem Berliner Testament kann der überlebende Ehegatte die Schlusserbfolge nicht ändern. Auch bei Patchwork-Familien gibt es häufig Konstellationen mit Vorerben und Nacherben. Das soll sicherstellen, dass Vermögen aus einer der Familienzweige auch innerhalb dieses Zweigs bleibt.
Bedeutung der Vor- und Nacherbschaft für Immobilieneigentümer
Befindet sich eine Immobilie im Nachlass, kann der Vorerbe die Immobilie im Regelfall nicht verkaufen. Der Erblasser kann aber per Testament diese Einschränkung aufheben (3 2136 BGB). Es handelt sich dann um einen befreiten Vorerben.
Im Testament muss dann ausdrücklich formuliert sein, dass der Vorerbe die Immobilie verkaufen oder andere Gegenstände für sich nutzen darf.
Abgesehen davon, ist der Verkauf einer Immobilie möglich, wenn alle Nacherben einem Verkauf zustimmen. Das kann zum Beispiel nötig werden, wenn der Vorerbe und die Nacherben das Haus nicht mehr unterhalten können.
Die Rolle des Erblassers und Testators
Soll der Nachlass erst an einen Vorerben und dann an einen Nacherben gehen, muss der Erblasser bzw. müssen die Erblasser dies schriftlich in einem Testament festlegen. Der Erblasser wird damit zum Testator und regelt aktiv seinen letzten Willen. Häufig vereinbaren Ehepartner in einem Ehegattentestament, dass es für den Nachlass eine Vorerbschaft und eine Nacherbschaft geben soll. Das ist vor allem bei Patchwork-Familien gängig.
Freiheiten und Restriktion in der Nachlassgestaltung
Der Erblasser kann mit einem Testament verfügen, dass es nach seinem Tod Vorerben und Nacherben gibt. Da es in Deutschland Testierfreiheit gibt, kann der Testator sein Testament frei gestalten und die Vor- und Nacherbschaft an bestimmte Bedingungen oder Ereignisse knüpfen. Solange im Testament keine sitten- oder rechtswidrigen Vorschriften enthalten sind, besteht völlige Freiheit.
Gerade wenn es um minderjährige Erben geht, wird oft im Testament festgelegt, dass das Erbe bis zur Volljährigkeit zu verwalten ist. Vordrucke und Muster gibt es im Internet.
Komplexe Familienkonstellationen und Erbfolgen
Nicht jede Familie folgt dem klassischen Prinzip von Vater, Mutter, Kinder. Verheiratete Eltern mit gemeinsamen Kindern gelten zwar als Standardfamilie. Darüber hinaus gibt es jedoch zahlreiche andere Familienkonstellationen.
Da in Deutschland jedes Jahr etwa 140.000 Ehen geschieden werden, sind Patchworkfamilien keine Seltenheit. Hier ergeben sich schnell komplexe Situationen bei der Erbfolge. Eine Nacherbschaft kann in diesem Fall die passende Lösung sein, um den Nachlass im Sinne des oder der Erblasser zu verteilen.
Beispiel 1: Patchworkfamilie
Herr Maier ist geschieden und hat zwei Kinder. Er lebt schon seit über zehn Jahren mit seiner neuen Partnerin zusammen. Die beiden sind weder verheiratet noch liegt eine eingetragene Partnerschaft vor. Stirbt Herr Maier müsste seine Partnerin aus dem Haus ausziehen, da es nach der gesetzlichen Erbfolge an die Kinder vererbt wird. Den Kindern geht es finanziell gut. Sie wohnen in eigenen Immobilien und sie hätten kein Problem damit, wenn Frau Maier im Haus wohnen bleibt.
In einem Testament setzt Herr Maier seine Partnerin als Vorerbin ein und die Kinder als Nach- bzw. Schlusserben.
Beispiel 2: Komplexe Familienkonstellation
Frau Schmidt hat selbst keine eigenen Kinder. Sie lebt mit Herrn Müller zusammen, der zwei leibliche Kinder hat. Das Haus, in dem die Familie wohnt, gehört Frau Schmidt. Sie ist nicht mit Herrn Müller verheiratet noch besteht eine eingetragene Partnerschaft. Frau Schmidt hat zwei Nichten, denen sie sich sehr verbunden fühlt. Zu den Kindern ihres Partners besteht wenig Kontakt.
Sie möchte, dass ihre Nichten später das Haus erben. Sollte Sie vor Herrn Müller sterben, soll dieser allerdings im Haus wohnen bleiben können. Per Testament verfügt sie eine Nacherbschaft. Sie setzt Herrn Müller als Vorerben und ihre beiden Nichten als Nacherben ein.
Unternehmensnachfolge und Vermögensschutz
Auch Gesellschaftsanteile können im Rahmen einer Vor- und Nacherbschaft übertragen werden. So können Unternehmer die Nachfolge auch über ihren Tod hinaus regeln. Jedoch hat der Gesetzgeber dies auf einen Nacherbfall beschränkt. Eine Nacherbschaft kann auch dann sinnvoll sein, wenn es sich bei den Erben noch um minderjährige Kinder handelt. Sie können ihre Nacherbschaft zum Beispiel dann antreten, wenn sie volljährig sind oder eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben.
Spezielle Fälle: Erben mit Schulden oder Betreuungsbedarf
Ist ein Erbe mit Schulden belastet, steht es dem Erben frei, ob er das Erbe antritt oder ausschlägt. Eine Erbausschlagung muss innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis vom Tod des Erblassers erfolgen. Nach dieser Frist gilt das Erbe als angenommen. Sowohl ein Vorerbe als auch ein Nacherbe kann ein überschuldetes Erbe ausschlagen. Wenn ein Erbe ausgeschlagen wird, geht das Erbe an die nächste Person in der gesetzlichen Reihenfolge.
Geht das Erbe an eine Person mit Betreuungsbedarf, entscheidet der Betreuer, ob das Erbe angenommen wird.
Risiken und Nachteile für den Vorerben
Eine Vorerbschaft kann mit Risiken und Nachteilen verbunden sein. Ein großes Risiko ist, dass sich die wirtschaftliche Situation des Vorerben ändern kann, er aber durch die Verfügung des Erblassers nicht auf die Mittel aus seinem Erbe zugreifen kann. Das kann zu großem Streit zwischen den Vorerben und den Nacherben führen.
Die steuerlichen Folgen bei Vor- und Nacherbschaft
Der Vorerbe gilt laut § 6 ErbSchG als Erbe. Daher greifen alle Bestimmungen aus dem Erbschaftssteuer- und Schenkungsgesetz (ErbSchG). Es kann also sein, dass der Vorerbe Erbschaftssteuer zahlen muss, wenn er seinen persönlichen Freibetrag überschreitet. Ist dies der Fall, kann er zur Zahlung der Erbschaftsteuer Mittel aus dem Nachlass verwenden.
Der Nacherbe gilt als Erbe des Vorerbe. Auch hier greifen wieder alle Bestimmungen aus dem Erbschaftssteuer- und Schenkungsgesetz. Laut Regelbesteuerung muss auf den gleichen Nachlass zweimal Erbschaftsteuer gezahlt werden.
Steuerklasse nach Tod des Ehepartners und Erbschaftssteuer
Angenommen, Herr Müller ist geschieden und setzt seine zweite Ehefrau als Vorerbin und seinen leiblichen Sohn als Nacherben ein. Für die Ehefrau gilt nach dem Tod des Ehepartners in Bezug auf die Erbschaftssteuer die Steuerklasse I.
Erbt der Sohn als Nacherbe von der Ehefrau, gilt für ihn nur ein Freibetrag von 20.000 Euro für die Erbschaftssteuer und eine Besteuerung in Steuerklasse III . Das liegt daran, dass zwischen ihm und der zweiten Ehefrau seines Vaters kein Verwandtschaftsverhältnis besteht.
Steuerliche Konsequenzen für Schlusserben
Nacherben sind steuerlich per se schlechter gestellt. Der Gesetzgeber hat allerdings verfügt, dass Nacherben auf Antrag wie Vorerben besteuert werden kann.
Ein Nacherbe kann einen Antrag beim Finanzamt stellen und dadurch seine Erbschaftsteuer reduzieren. Im Antrag muss er darlegen, wie sein Verhältnis zum Erblasser aussieht. Das kann dazu führen, dass der Nacherbe einen höheren Freibetrag geltend machen kann. Zudem kann er dann auch in einer für ihn günstigeren Steuerklasse besteuert werden.
Befugnisse und Verantwortung des Vorerben
Ein Vorerbe ist niemals ein Vollerbe. Er erhält den Nachlass nur auf Zeit. Daher kann er mit dem Nachlass auch nicht beliebig verfahren. Laut § 2130 BGB muss der Vorerbe den Nachlass in seiner Substanz ungeschmälert erhalten. Er darf also zum Beispiel nicht das geerbte Haus verkaufen und das Geld aus dem Verkauf ausgeben. Es sei denn, es handelt sich um einen befreiten Vorerben, der auch das Recht hat, die Immobilie zu veräußern.
Handelt es sich um eine vermietete Immobilie, darf der Vorerbe jedoch die Mieteinnahmen behalten und diese für seine Zwecke ausgeben. Die Rechtsstellung eines Vorerben entspricht damit ungefähr der Stellung eines Nießbrauchsrecht.
Verwaltung und Umgang mit dem Nachlassvermögen
Der Vorerbe hat die Pflicht, den Nachlass ordnungsgemäß zu verwalten. Erbt der Vorerbe zum Beispiel eine sanierungspflichtige Immobilie, muss er für die Sanierung der Immobilie aufkommen. Um die Kosten zu decken, darf er in diesem Fall auf den Nachlass zurückgreifen.
Haftung und Pflichten gegenüber den Nacherben
Eine große Bedeutung bei einer Vor- und Nacherbschaft kommt der Frage zu, ob der Vorerbe Geld ausgeben darf. Dies darf er nur in begrenztem Rahmen. Hat der Vorerbe seine Verpflichtung aus der Vorerbschaft verletzt, so ist er gegenüber den Nacherben zu Schadensersatz verpflichtet. Die Haftung ist allerdings auf den Wert des Nachlasses beschränkt.
Zu den gängigsten Pflichten eines Vorerben gehören:
- Auskunftspflicht gegenüber den Nacherben über den Bestand der Erbschaft
- Pflicht zur Erstellung eines Nachlassverzeichnis
- Pflicht den Nacherben Sicherheit zu leisten
Entnahme von außerordentlichen Lasten aus der Erbschaft
- 2126 BGB regelt, dass ein Vorerbe aufgrund von außerordentlichen Lasten Mittel aus der Erbschaft entnehmen darf. Ein Vorerbe darf also Geld aus dem Nachlass ausgeben, wenn es sich um folgende Themen handelt:
- Die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten
- Die Kosten für das Begräbnis des Erblassers
- Die Auszahlung eines Pflichtteilsanspruches
- Die Erfüllung eines Vermächtnisses
- Die Zahlung von Erbschaftsteuer
Erhaltungskosten tragen
Laut § 2124 BGB ist der Vorerbe bei einer Immobilie dazu verpflichtet, die gewöhnlichen Kosten der Erhaltung zu tragen. Allerdings ist es in der Praxis nicht immer einfach abzugrenzen, welche die gewöhnlichen und welche die außergewöhnlichen Kosten sind. Laut Rechtsprechung sind diese Kosten keine gewöhnlichen Kosten:
- Einbau einer Zentralheizung
- Erneuerung der Hauselektrik
- Renovierung der Hausfassade
- Instandsetzung des Dachs.
Diese Kosten dürfen daher aus dem Nachlass bezahlt werden.
Fazit zu Vorerbe Nacherbe Nachteile
Eine Vor- und Nacherbschaft ist eine besondere Konstellation der Erbschaft. Dabei verfügt ein Erblasser, dass das Erbe treuhänderisch zuerst auf einen Vorerben übergeht. Nach dessen Tod oder wenn ein anderes vereinbartes Ereignis eintritt, geht die Erbschaft auf den Nacherben als Schlusserben über.
Für den Vorerben entstehen daraus Nachteile, da er über das Erbe nicht frei verfügen darf, aber dennoch zum Beispiel die Erhaltungskosten einer Immobilie tragen muss. Was ein pflichtteilsberechtigter Vorerbe immer kann, ist das Erbe auszuschlagen und seinen Pflichtteil einzufordern.
FAQs zu Vorerbe Nacherbe Nachteile
Was ist ein Vorerbe und was ein Nacherbe?
Ein Vorerbe und ein Nacherbe sind beide Erben desselben Nachlasses. Sie treten das Erbe allerdings nacheinander an.
Welche Rechte und Pflichten hat ein Vorerbe?
Der Vorerbe muss sich an die Pflichten aus dem Testament halten und ist dem Nacherben gegenüber zu zahlreichen Leistungen verpflichtet. Diese reichen von der Auskunftspflicht bis zur Sicherheitspflicht.
Welche Rechte und Pflichten hat ein Nacherbe?
Alle gesetzlichen Rechte und Pflichten aus dem Erbe gehen auf den Nacherben über. Falls im Testament darüber hinaus etwas vereinbart ist, muss der Nacherbe auch diese Pflichten erfüllen.
Welche Nachteile können für den Vorerben entstehen?
Ein Vorerbe ist an die Bedingungen aus dem Testament gebunden. Er kann somit nicht mehr auf Veränderungen reagieren, falls er zum Beispiel in finanzielle Schwierigkeiten gerät.
Welche Nachteile können für den Nacherben entstehen?
Eine Nacherbschaft kann steuerlich nachteilig sein, wenn zum Beispiel ein leiblicher Sohn von einem neuen Ehepartner erbt und kein direktes Verwandtschaftsverhältnis besteht.