Pflichtteil Erbrecht: So sichern Sie Ihren gesetzlichen Anteil
Wenn ein direkter Angehöriger von Ihnen stirbt, haben Sie gegebenenfalls Anspruch auf einen Pflichtteil. Das wird aber erst wichtig, wenn der Erblasser Sie in seinem Testament enterbt hat.
Dann können Sie den Mindestanteil Ihres Erbes bei den übrigen Erben einfordern. Unter bestimmten Umständen steht Ihnen sogar eine Pflichtteilsergänzung zu.
Was ist der Pflichtteil im Erbrecht?
Bei dem Pflichtteil handelt es sich um den Mindestanteil am Nachlass einer Person, den enge Angehörige unter diesen Umständen erhalten:
- Sie sind berechtigter Erbe
- Sie sind enterbt worden
- der Anspruch ist noch nicht verjährt
Gesetzliche Grundlage und Testierfreiheit
Wenn kein Testament vorliegt, erben enge Angehörige nach der gesetzlichen Erbfolge einen festgelegten Teil des Vermögens der verstorbenen Person. Gleichzeitig gibt es die sogenannte Testierfreiheit, die es jedem Menschen ermöglicht, zu entscheiden, an wen er sein Geld vererben möchte. Er kann auch Personen in das Testament aufnehmen, mit denen er nicht verwandt ist.
Enterbung und gesetzlicher Mindestanspruch
Im Rahmen Ihres Testaments können Sie Ihre Angehörigen auch enterben. Das bedeutet aber nicht, dass diese vollständig leer ausgehen. Die Testierfreiheit ist demnach teilweise eingeschränkt. Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird durch die gesetzliche Erbfolge bestimmt und beträgt immer 50 Prozent des eigentlichen Betrags.
Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?
Ein Pflichtteil steht nur denjenigen Personen zu, die zu den nahen Angehörigen des Erblassers gehören. Sie haben aber nicht alle den gleichen Anspruch. So können Eltern nur unter bestimmten Umständen ihren Pflichtteil einfordern.
Pflichtteilsberechtigte Personen
Hier haben wir die möglichen pflichtteilsberechtigten Personen für Sie aufgelistet:
- Kinder
- Enkel
- Urenkel
- Eltern
- Ehegatte
Ehepartner, Kinder und Eltern
Laut Erbrecht ist ein Pflichtanteil für Kinder, Ehepartner und Eltern vorgesehen. Allerdings gilt, dass die Eltern nur dann Anspruch darauf haben, wenn der Erblasser kinderlos war. Sowohl leibliche als auch Adoptiveltern sind pflichtteilsberechtigt.
Regelungen zu Nachkommen und weiteren Verwandten
Die Nachkommen des Erblassers sind nach dem Grad ihrer Verwandtschaft pflichtteilsberechtigt. Kinder können ihren Anspruch immer geltend machen. Wenn die Kinder bereits verstorben sind, können auch Enkel pflichtteilsberechtigt werden. Sollten auch die Enkel nicht mehr am Leben sein, sind die Urenkel an der Reihe.
Erbrecht Pflichtteil Geschwister trotz Testament - was ist die Regel?
Im Erbrecht ist kein Pflichtteil für Geschwister vorgesehen. Auch geschiedene Ehepartner oder unverheiratete Partner gehen im Fall einer Enterbung leer aus und können nicht gegen das Testament des Verstorbenen vorgehen. Der Erblasser hat aber natürlich die Möglichkeit, sie explizit zu Erben zu erklären.
Wie hoch ist Ihr Pflichtteilsanspruch?
Die Höhe des Pflichtteils hängt von der Anzahl der berechtigten Erben ab. Unter den sogenannten Erben erster Ordnung wird nämlich das Vermögen des Erblassers aufgeteilt. Berechtigt sind zunächst die Kinder und der Ehegatte.
Pflichtteil als Hälfte des gesetzlichen Erbteils
In § 2303 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist eindeutig festgelegt, dass der Pflichtteil im Erbrecht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils entspricht. Wenn Sie also 15.000 Euro laut gesetzlicher Erbfolge erben würden, sie aber durch den Erblasser enterbt worden sind, können Sie Anspruch auf 7.500 Euro erheben.
Beispiele zur Pflichtteilsberechnung
Bei der Berechnung kommt es immer darauf an, wie viele gesetzliche Erben es gibt. Hier haben wir zwei Beispiele für Sie vorbereitet:
- Wenn ein Erblasser zwei Erben erster Ordnung hat, würde er ihnen normalerweise jeweils die Hälfte seines Vermögens vererben. Bei 250.000 Euro wären das pro Person 125.000 Euro. Wird nun einer der beiden Erben enterbt, kann er Anspruch auf seinen Pflichtteil erheben. Dieser beträgt die Hälfte des vorherigen Erbteils und läge damit bei 62.500 Euro. Er würde in diesem Fall nur noch ein Viertel des Gesamt-Erbes bekommen.
- Wenn es drei Erben gibt und das Vermögen bei 300.000 Euro liegt, bekäme jeder 100.000 Euro und somit ein Drittel ausgezahlt. Bei einer Enterbung würde sich der Betrag auf 50.000 Euro und dementsprechend nur noch auf ein Sechstel absenken.
Einfluss des Güterstands auf den Pflichtteil
Wie hoch der Pflichtteil des hinterbliebenen Ehegatten ist, hängt vom Güterstand ab, den beide Ehepartner vorher vereinbart haben:
- Zugewinngemeinschaft: Der Pflichtteil beträgt ein Achtel des Nachlasses
- Gütertrennung: Wenn der Erblasser ein Kind hatte, ist der Pflichtteil ein Viertel hoch. Bei zwei Kindern ist es nur noch ein Sechstel.
- Gütergemeinschaft: Genau wie bei der Zugewinngemeinschaft liegt der Pflichtteil bei einem Achtel.
Pflichtteil Erbrecht: So berechnen Sie Ihren gesetzlichen Anteil
Damit Sie überhaupt Ihren Pflichtanteil laut Erbrecht berechnen können, müssen Sie zunächst einmal wissen, wie hoch der Nachlasswert eigentlich ist und natürlich herausfinden, wer neben Ihnen als gesetzlicher Erbe gilt.
Ermittlung des Nachlasswertes
Beim Nachlasswert handelt es sich um den Betrag, der sich durch die Vermögenswerte des Erblassers abzüglich aller Verbindlichkeiten ergibt. Ermittelt wird er von den Erben selbst sowie vom Nachlassgericht. Da es in der Zeit, in der die Erbangelegenheiten geregelt werden, zu weiteren Aufwendungen wie zum Beispiel zu Anwaltskosten in Bezug auf Erbrecht und Pflichtteil kommen kann, wird der Nachlasswert manchmal im Nachhinein aktualisiert.
Anforderungen an das Nachlassverzeichnis
Das Nachlassverzeichnis wird zur Ermittlung des Nachlasswertes erstellt. Es enthält folglich die verschiedenen Vermögenswerte des Verstorbenen. Wenn es keine Streitigkeiten gibt und jeder mit seinem Erbteil einverstanden ist, kann häufig ein einfaches Nachlassverzeichnis von den Erben selbst angefertigt werden. Gegebenenfalls kann aber ein notariell erstelltes Nachlassverzeichnis notwendig werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn beispielsweise die Kinder oder Enkel Ihren Pflichtteil nach dem Erbrecht einfordern wollen und explizit nach dieser offiziellen Form des Verzeichnisses verlangen. Das muss dann die folgenden Angaben enthalten:
- vollständiger Name und letzter Wohnsitz des Erblassers
- Geburts- und Todestag des Erblassers
- der Güterstand (sofern der Verstorbene verheiratet war)
- Übersicht auf alle Vermögensgegenstände
- Auflistung aller Verbindlichkeiten
- Unterschrift des Erstellers
Berechnung der individuellen Pflichtteilsquote
Mithilfe des Nachlasswertes können Sie nun Ihre individuelle Pflichtteilsquote gemäß Gesetz berechnen. Orientieren Sie sich dafür am besten an den Beispielen, die wir weiter oben aufgeführt haben.
Pflichtteilsansprüche erfolgreich geltend machen
Wenn Sie den Pflichtteil Ihres Erbes einfordern möchten, müssen Sie aktiv werden, denn tatsächlich erhalten Sie diesen nicht automatisch nach dem Tod des Erblassers. Deswegen ist es so wichtig, dass Sie den Nachlasswert kennen. Wenden Sie sich schriftlich an die Erben und geben Sie die Höhe des Pflichtteils an. Fügen Sie außerdem eine Bankverbindung hinzu und setzen Sie eine Zahlungsfrist.
Auskunftsanspruch und Verpflichtungen der Erben
Die Erben sind dazu verpflichtet, das Nachlassverzeichnis an Pflichtteilsberechtigte auszuhändigen. Sie müssen also nicht selbst den Nachlasswert berechnen. Bestehen Sie auf Ihr Recht und fordern Sie die notwendigen Unterlagen ein.
Gerichtliche Durchsetzung des Pflichtteils
Es kann passieren, dass die Erben die Auszahlung des Pflichtteils verweigern. In diesem Fall sollten Sie sich an einen Anwalt für Erbrecht wenden und den Betrag einklagen.
Fristen und formal rechtliche Anforderungen
Wenn Sie laut Erbrecht einen Pflichtanteil für Kinder oder Enkel einfordern können, müssen Sie ihn innerhalb von drei Jahren nach der Kenntnis vom Todesfall des Erblassers beantragen. Optimalerweise fordern Sie Ihren Pflichtteil schriftlich per Brief ein, sodass Sie einen Nachweis darüber haben, dass Sie aktiv geworden sind. Damit Sie überhaupt zum Einfordern des Pflichtteils berechtigt sind, müssen Sie vorher enterbt worden sein oder weniger bekommen haben, als Ihnen laut Gesetz zusteht. Darüber hinaus darf noch keine Verjährung eingetreten sein.
Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Wenn der Erblasser zu Lebzeiten großzügige Schenkungen an andere Personen getätigt hat, können Pflichtteilsberechtigte gegebenenfalls Anspruch auf eine Pflichtteilsergänzung haben. Dabei werden die Schenkungen dem Nachlasswert fiktiv hinzugerechnet.
Schenkungen des Erblassers und Ergänzungsanspruch
Manche Erblasser versuchen ihre Angehörigen schon vor ihrem Tod zu enterben, indem sie ihr Vermögen verschenken. Das möchte der Gesetzgeber mit dem Pflichtteilsergänzungsanspruch verhindern, denn damit wird der Nachlass so betrachtet, als wäre die Schenkung niemals durchgeführt worden.
Berücksichtigung von Schenkungen der letzten zehn Jahre
Allerdings werden dabei nur die letzten zehn Jahre betrachtet. Schenkungen, die davor durchgeführt worden sind, haben keinen Einfluss auf den Ergänzungsanspruch. Außerdem gibt es eine sogenannte Abschmelzungsfrist. Mit jedem Jahr, das seit der Schenkung vergangen ist, wird sie ein Zehntel weniger wert.
Durchsetzung der Pflichtteilsergänzung
Machen Sie Ihren Anspruch auf eine Pflichtteilsergänzung gegenüber dem Erben deutlich. Am besten tun Sie das genauso wie beim Pflichtteilsanspruch auf dem schriftlichen Weg. Wenn der Nachlass nicht ausreicht, um den Ergänzungsanspruch zu decken, können Sie sich aber auch direkt an den Beschenkten wenden.
Verjährung und Verlust des Pflichtteilsanspruchs
Drei Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem Sie vom Tod der Person beziehungsweise von dem Erbfall erfahren haben, verjährt Ihr Anspruch auf den Pflichtteil sowie auf die Pflichtteilsergänzung. Werden Sie deswegen rechtzeitig tätig.
Tipps zur Durchsetzung Ihres Pflichtteils
Damit die Anforderung Ihres Pflichtteils möglichst reibungslos abläuft, sollten Sie gut vorbereitet sein, die rechtliche Lage kennen und wissen, was zu tun ist. Hier geben wir Ihnen ein paar Tipps, die Ihnen dabei helfen sollen.
Notwendige Unterlagen und Beweise
Wenn laut Erbrecht ein Pflichtteil für Kinder oder Enkel beantragt werden kann, sollten Sie dafür sorgen, dass Sie alle notwendigen Unterlagen vorlegen können. Gegebenenfalls müssen Sie das Verwandtschaftsverhältnis mit der Geburtsurkunde nachweisen.
Praktische Ratschläge und Vorgehensweisen
- Wenden Sie sich an die Erben und bitten Sie, zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses eingeladen zu werden.
- Berechnen Sie den Pflichtteil und informieren Sie die Erben anschließend darüber, welcher Betrag ihnen zusteht.
- Wenden Sie sich unbedingt schriftlich an die Erben.
Rechtlicher Beistand und professionelle Unterstützung
Wenn keine Einigung mit den Erben möglich ist, sollten Sie sich fachliche Unterstützung holen. Ein Anwalt, der sich mit den Themen neues Erbrecht und Pflichtanteil auskennt, weiß, welche Schritte als Nächstes unternommen werden müssen und kann sich noch einmal an die Erben wenden. Wenn das ebenfalls keinen Erfolg bringt, kann der Pflichtteil eingeklagt werden.
Fazit zum Pflichtteil im Erbrecht
Falls Sie von einem nahen Angehörigen enterbt worden sind, sollten Sie immer prüfen, ob Sie Anspruch auf einen Pflichtteil erheben können. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn es sich bei dem Erblasser um Ihren Ehegatten oder um Vater oder Mutter handelt. Gegebenenfalls besteht auch ein Anspruch, wenn eines Ihrer Kinder oder der Großvater beziehungsweise die Großmutter gestorben ist. Hierbei kommt es darauf an, ob es andere dem Verstorbenen näherstehende Angehörige gibt, die Anspruch haben. Um die Einforderung Ihres Pflichtteils müssen Sie sich selbst kümmern. Sollten die Erben sich weigern, dem nachzukommen, sollten Sie sich einen rechtlichen Beistand besorgen.
FAQs zum Pflichtteil im Erbrecht
Was ist der Pflichtteil im Erbrecht?
Hierbei handelt es sich um einen Mindestanteil, den nahe Angehörige des Erblassers einfordern können, wenn sie vorab enterbt worden sind.
Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?
Kinder, Ehegatten und gegebenenfalls Eltern können pflichtteilsberechtigt sein.
Wie wird der Pflichtteil berechnet?
Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Er kann mithilfe des Nachlasses berechnet werden.
Kann der Pflichtteil durch ein Testament entzogen werden?
Unter bestimmten Umständen ist die Entziehung des Pflichtteils im Testament möglich. Dafür müssen aber schwerwiegende Gründe vorliegen. Das wäre unter anderem dann der Fall, wenn der Erbe ein schweres Verbrechen gegen den Erblasser verübt hätte.
Wie wird der Pflichtteil geltend gemacht?
Wenn Sie pflichtteilsberechtigt sind, können Sie dies den Erben schriftlich mitteilen und ihren Anteil einfordern. Wichtig ist, dass Sie Auskunft über den Nachlasswert erhalten, denn nur damit können Sie Ihren Pflichtanteil berechnen.